Dienstag, 22. April 2008

I'm not There

"Ich bin nicht da". Ein einfacher Satz hinter dem sich viel mehr verbirgt als man auf den ersten Blick vermutet. Er deckt Facetten des "gerade keine Lust zu reden" und des "Unterwegseins", egal ob physisch oder psychisch, ab. Dabei bewahrt er sich allerdings eine gewisse Neutralität und entzieht sich jeder Wertung. Man hätte den Titel also nicht besser wählen können, denn der Film ist ein einziger Sog aus Erinnerungen, Geschichte, Fantasie und Hommage an einen der besten Musiker, die diesen Planeten je bevölkert haben. Kein Wunder dass diese Bandbreite an Empfindungen nicht nur ein Schauspieler abdecken konnte. Hier wurde tief in die Wunderkiste gegriffen, weshalb man u. a. Heath Ledger, Christian Bale und die wunderbare Cate Blanchett auf der Leinwand erleben darf. Gerade Cate Blanchett spielt ihn unheimlich real - dass sich einige Leute bei ihrer Performance nur darauf stützen dass sie eine Frau ist, wird ihrer Arbeit nicht gerecht.

Man muss schon ein riesiger Fan sein um all die Anspielungen, Zitate, Metaphern etc. auch nur ansatzweise zu erkennen, geschweige denn zu verstehen. Das erschwert natürlich teilweise das Sehen, obwohl die Faszination gerade dadurch erhalten bleibt. Der Mensch findet doch seit jeher das Unbekannte am Interessantesten. Gänzlich bekannt sind (sollten zumindest) dafür dann die Songs, die dem Film ein Gesicht verleihen. Dabei interpretieren lauter namhafte, und in diesem Fall sogar gute, Künstler auf ihre Art und Weise die Songs des Meisters. Vor allem bei „Ballad of a Thin Man“ schafft Todd Haynes wunderbar die Symbiose zwischen Bild und Ton. Seit „Die Ermordung des Jesse James...“ gefiel mir keine Filmmusik mehr so gut. Am Meisten hängen geblieben ist allerdings „The Lonesome Death of Hattie Carroll“ – ich kann nur bedingt beschreiben wieso. Da spielen sowohl Text als auch Melodie zusammen...ergibt wie bei so vielen Songs von ihm ein großes Ganzes.

Über die einzelnen Passagen möchte ich gar nicht so viel Worte verlieren – sie bleiben ungreifbar, denn wie heißt es am Anfang schon so schön:

I
he
I'm
I'm her
not her
not
not here
I'm not there

Hätte dieser Film nicht den realen Background, den antreibenden Soundtrack, die ehrlich agierenden Schauspieler, sprich: keine Seele, wäre er „nur“ ein anstrengender Kunstfilm. So ist er jedoch ein Zeitzeugnis geworden, eine Probe für jedermanns Vorstellungskraft und Inspiration für Viele. Denn hier geht es um Bob Dylan, einem einfachen Mann hinter dem sich viel mehr verbirgt als man auf den ersten Blick vermutet. So abgedroschen es auch klingen mag, wir sind alle ein bisschen Dylan. In diesem Sinne ist mir auch keine ausgewogene Wertung zwischen Subjektivität und Objektivität möglich und somit verbleibe ich mit einer Empfehlung für alle Dylan-Fans und fantasievolle Menschen.

Montag, 21. April 2008

Bottle Rocket

Drei Versager, nicht grade mit Intelligenz und Cleverness geschlagen, leben in einem langweiligen Kaff in Texas. Damit etwas Bewegung in ihr Leben kommt, beschließen sie, sich als Outlaws zu versuchen. Doch sie stellen sich dabei so dämlich an, dass ihre Coups jedesmal misslingen. Bis sie einen Profi kennen lernen.

Zufälle sind schon seltsam. Da liegt man von einer Krankheit geschwächt zuhause herum, geht deswegen früher schlafen und wacht gegen 6 Uhr auf. Bis hierher nicht weiter atemberaubend – lustig wird es allerdings, wenn 15 Minuten später auf ProSieben der einzige Wes Anderson-Film läuft, den man noch nicht gesehen hat und dessen Laufzeit bis 8:20 Uhr datiert ist, dem Zeitpunkt an dem ich mich normalerweise zur Arbeit begebe. Ohne Krankheit hätte ich den also glatt verpasst und länger geschlafen. Zur Arbeit bin ich dann trotzdem noch gegangen – bei solch einem Wetter lass’ ich mich doch nicht von einer Grippe niederstrecken! Die ganze Geschichte interessiert natürlich niemanden und ist völlig belanglos, aber erspart mir die Findung einer anderen Einleitung.

Im Gegensatz zu seinen späteren Werken ist dies noch kein typischer Anderson. Die Charaktere sind zwar skurriler als anderswo und die Musik trägt ebenfalls Andersons Handschrift, der Rest ist allerdings eine recht typische Kleinkriminellen-Komödie. Keine bunten oder detailliert ausgestatteten Kulissen, es ist alles noch eine Spur ruhiger und vermeintlich bodenständiger. Auf die Idee, nachzuschauen was da gerade für ein Film läuft, bin ich außerdem erst gekommen als ich Owen und Luke Wilson gesehen habe, zusammen in einem Film immer ein eindeutiges Indiz für einen Wes Anderson Film. Zugegebenermaßen hat es der Film nicht gerade leicht, wenn man ihn erst nach einem Meisterwerk wie den „Royal Tenenbaums“ und grandiosen Filmen wie „Die Tiefseetaucher“ und „The Darjeeling Limited“ sieht. Wie alles andere auf der Welt braucht auch ein Regisseur Zeit sich zu entwickeln und gerade das macht den Reiz aus. Diese nicht vorhandene Perfektion (die Wes Anderson in seinen späteren Filmen immer aufbietet) weist eine Art Bodenständigkeit auf, mit der man sich gerne mal anfreundet. Selbst wenn man nicht verschlafen auf dem Bett liegt.

7/10

Sonntag, 20. April 2008

Creep

Eine junge Frau verpaßt eines Nachts die letzte U-Bahn und wird unfreiwillig im Londoner Underground eingeschloßen. Doch sie ist nicht allein im Untergrund, denn ein mysteriöser Killer jagd sie in die düsteren Schächte. Ihre Flucht führt sie immer tiefer in das dunkle und unbekannte Labyrinth in den U-Bahntunneln unter den Londoner Straßen und es scheint keinen Ausweg vor dem erbarmungslosen Killer zu geben...

Creep steht im Englischen für Widerling, kalter Fluss und – ganz neu – für einen beschissenen Film. Horrorfilmklischees tun mir immer weh, wenn’s aber derart stumpf zugeht wie hier, sollte sich selbst der größte Horrorfan weinend wegdrehen. Zweimal die Riesenmöglichkeit dem kleinen Gollum/Glöckner von Notre Dame/Rattenfänger von Hameln-Verschnitt eine Eisenstange in den Kopf zu treiben während er am Boden liegt und was passiert? Los, schnell weg hier! Solche Szenen gibt es zwar in vielen Horrorfilmen, hier sind sie allerdings durch die Szenerie bedingt noch viel unverständlicher. Der Widerling liegt weinerlich am Boden, neben ihm eine Harpune, viel Platz zum Ausholen etc....und die rennen weg! Da lobe ich mir das The Hills have Eyes Remake, in dem EIGENINITIATIVE groß geschrieben wurde und man mit einer Spitzhacke auf die Mutanten los ging. Dämlicher ist nur noch der Anfang, wenn sich Frank A. Potente auf eine Bank setzt und 'ne kleine Flasche Wodka kippt obwohl sie im Anschluss George Clooney treffen will. Erst 10x in den Spiegel blicken ob das Make-Up okay ist aber dann einen saufen? Sowas fällt nicht mal mehr unter die Kategorie „Mut antrinken“.

Schauspielerisch reißt der Film ebenfalls keine Bäume aus. Pluspunkte entstehen einzig und allein durch die U-Bahn-Atmosphäre, die leider nicht konsequent genutzt wird und irgendwann gegen lahme dunkle Gänge, standardmäßig verschmutzte Zimmer etc. ausgetauscht wird. Ein Film zum Ärgern, glücklicherweise nur im Free-TV gesehen. Und bevor ich noch mehr Zeit dafür verschwende, höre ich lieber mit dem (durchaus Spaß machenden) Zerreißen dieses Filmes auf.

2/10

Be Kind Rewind

Der eine oder andere von euch wird in letzter Zeit auf Filmseiten getroffen sein, die geschwedet wurden. Schwedische Importversionen – der Ursprung wird im Film genauer erklärt. Was fällt einem sofort auf? Es steckt mehr Liebe zum Thema drin als in den meisten Originalen. Und genau das ist eine große Stärke von Michel Gondrys Filmen. Er lässt nicht nur seiner Kreativität freien Lauf, sondern auch seinen Schauspielern die somit etwas Besonderes und Eigenes in den Film einbringen. Und das sieht man auch am Ende, denn der beste Film entsteht wenn alle mit anpacken. Der Zuschauer im Kinosaal würde dann am liebsten selbst in solch einem Viertel wohnen, mit dieser Menge an filmbegeisterten Leuten jedes Alters.

Aber so was bleibt wohl ein Traumelement Gondrys, der immer Welten zeigt in denen man selbst gerne leben würde. Nun aber bitte noch mal kurz zurückspulen zum eigentlichen Film. Im Vorfeld wurde eifrig über die Hauptdarsteller diskutiert – fälschlicherweise. Denn beide Hauptdarsteller machen ihre Sache perfekt, Jack Black als paranoider Verschwörungsfanatiker (so durchgedreht wie immer) und Mos Def als dessen bester Freund. Um die Liebe zum Film eifrig zu zelebrieren verzichtet Gondry sogar auf eine Filmromanze, trotz weiblichen Einsatzes und einiger Anspielungen, die nie aufgesetzt oder unecht wirken. Highlight für jeden Filmfreund sind dann die zahlreichen geschwedeten Versionen bekannter Filme wie Rush Hour 2, Ghostbusters, Boyz in the Hood (Pizza-Blutlache), Boogie Nights sowie zahlreicher Klassiker. Besucht unbedingt die offizielle Seite zum Film Link, auf der es die vollen Versionen dieser und weiterer Filme gibt. Sogar eine Version von Lord of the Rings habe ich dort gerade entdeckt – muss ich mir noch ansehen, der kommt im Film nämlich nicht vor. Am Besten natürlich erst nach dem Kinobesuch ansehen. Diese Versionen wurden allesamt unglaublich kreativ umgesetzt - sehr beeindruckend und vor allem lustig. Technisch ist der Film ebenfalls auf der Höhe. Die Kameraführung empfand ich als sehr gut, besonders den Flug über das Viertel direkt zu Beginn und musikalisch braucht sich der Film ebenfalls nicht verstecken. Durch die Story bedingt bekommt man sehr viel Blues, Swing etc. zu hören, was zu dem speziellen Charme dieses Viertels passt. Einem Viertel, in dem die Leute noch viel weniger konsumieren als anderswo, sondern die Dinge zu schätzen und zu genießen wissen.

An sein Meisterwerk Eternal Sunshine of the Spotless Mind kommt Gondry insgesamt nicht heran, aber es reicht locker für eine hervorragende Note, durch die sich Be Kind Rewind zumindest bei mir vor Science of Sleep schiebt. An alle Leser dieses Reviews – seht euch diesen Film nach Möglichkeit mit ein paar Freunden im Kino an, zelebriert selbst diese Liebe zum Film und regt euch ein anderes Mal über die Kinopreise auf. Danke.


9/10